Das Beste zum Schluss

Top-Geigerin Elisso Gogibedaschwili überglänzte das Saisonfinale von Arpeggione

 

Der Rittersaal im Hohenemser Palast ist am Samstagabend eng bestuhlt wie nie. Und jeder Platz besetzt, sehr zur Freude von Vereinsobmann Josef Kloiber. Schlagendes Indiz für einen attraktiven Event, den Intendant Irakli Gogibedaschwili zum Finale der heurigen Konzertsaison seines Kammerorchesters Arpeggione aufgeboten hat, unter der Devise „Das Beste zum Schluss“. Und das ist nichts weniger als seine Tochter Elisso, die junge, international erfolgreiche, aufregende Stargeigerin.

 

Denn Elisso Gogibedaschwili dominiert auch diesmal, nach dem Beethoven-Violinkonzert von 2021, auf blendende Weise den Abend, erfüllt die höchsten Erwartungen eines Publikums, das aus dem Staunen nicht herauskommen will. Mit ihren 24 Jahren besitzt die gebürtige Lustenauerin bereits hohe künstlerische Reife, bis in Details ausgeformte geigerische Qualitäten und eine Ausdruckskraft, die auch international weit über Vergleichbares ihrer Altersstruktur hinausreichen. Nicht umsonst ist sie längst in großen Musikzentren gefragt und erst kürzlich gemeinsam mit dem Weltpianisten Igor Levit aufgetreten. Dazu kommt ihre entwaffnende Natürlichkeit und die extreme Musikalität, mit der sie alles in ihren Bann schlägt. Schließlich sieht sie, schlank, elegant und super gestylt, auch so gut aus, dass sie glatt als Model durchginge, würde sie nicht so verdammt gut Geige spielen.

 

Weltbürgerin an der Violine

Es ist aber letztlich auch das Exotisch-Geheimnisvolle dieser Weltbürgerin, das ihre Zuhörer:innen immer wieder fasziniert. Die aus Taiwan stammende Mutter Cecilia, eine Pianistin, und der als Bratschist tätige Vater Irakli aus Georgien, Gründer von Arpeggione, ergeben in Summe in Elissos Künstlerpersönlichkeit den besonderen fernöstlich-europäischen Charme ihrer Erscheinung. Und es war eine glänzende Idee, diesen Umstand zum Thema eines Konzertprogramms zu machen. Ein Violinkonzert zum 100. Geburtstag des 1989 verstorbenen georgischen Komponisten Otar Taktakishwili erinnert an Elissos Heimat als Halb-Georgierin. Das Werk ist inzwischen auch gut abgehangen, es wurde von ihr mit Arpeggione bereits in Italien und vor kurzem mehrmals in Tiflis, der Hauptstadt Georgiens, also am Entstehungsort des Werkes, aufgeführt. Für heute, Montagabend, ist eine weitere Wiedergabe im Wiener Konzerthaus geplant.   
Das 1985 entstandene Violinkonzert Nr. 2 als Spätwerk für kleiner besetztes Orchester ist klassisch dreisätzig und dabei stilistisch etwas aus der Zeit gefallen. Es rangiert vorsichtig an der Nahtstelle zwischen verblassender Spätromantik und leicht angetasteter Modernität in Melodieführung und Harmonik, in unserem Verständnis also ein klangvolles, aber eher rückwärtsgewandtes, tonales Stück Musik. Immerhin könnte man einen Meister wie Béla Bartók als Vergleichsmodell bemühen, der ähnlich komponierte und auch die Folklore seiner Heimat miteinbezogen hat.

 

Eine Portion georgische Folklore

Genau dieser Kunstgriff gibt auch dem Violinkonzert von Taktakishwili den besonderen Charme dieses Landes und erleichtert dem Publikum die Identifikation. Da leuchten immer wieder Teile oder ganze Melodien aus georgischen Volksliedern auf, kostbare Momente im Original oder deren kunstvoller Verarbeitung im Dialog Solistin-Orchester. Das Herzstück ist der wunderbare zweite Satz mit einer Arie zwischen Solovioline und Cello, grundiert von feinen Streicherharmonien. Herausfordernd der dritte Satz, dessen Rhythmik mittendrin plötzlich durch eine nachdenkliche Weise unterbrochen wird. Bei Elissos beherztem Einsatz zu ihren Wurzeln, „Back to the roots“, spürt man in jedem Zoll ihre Verbundenheit mit dieser Musik.
Während es bei dem begeistert aufgenommenen georgischen Violinkonzert mehr um Farben, Flächen und Emotionen geht, verlangt das folgende Werk, eine Caprice des Belgiers Eugène Ysaÿe, im Gegensatz dazu von der Geigerin den vollen Einsatz ihrer Virtuosität. Keine unlösbare Aufgabe für Elisso, die gerade diese halsbrecherischen Einsätze mit den vielen Eskapaden in Doppelgriffen bis in hohe Lagen liebt und sich auch hier todesmutig in die Schlacht um die richtigen Töne stürzt. Das Ganze gelingt makellos und offenbart über die artistische Technik hinaus mit blühend reinem Ton auch interessante musikalische Einblicke. Elisso spielt alles auswendig, eine zusätzliche unglaubliche Gedächtnisleistung. Danach ist sie richtig in ihrem Element, gewährt noch zwei Zugaben. Es ist ein Tango für Violine solo, „Por una Cabeza“ von Carlos Gardel, und, im Trio mit der Harfenistin und kundigen Programmbegleiterin Ulrike Neubacher und dem Kontrabassisten Peter Kummer, eine „Widmung an Rachmaninow“ von Vazha Azarashvili.    

 

Bei Bärtschi in guten Händen

Das hoch motiviert in reiner Streicherbesetzung angetretene Kammerorchester Arpeggione bietet der jungen, den Musiker:innen lange vertrauten Violinsolistin eine sichere instrumentale Basis, verbunden durch seinen „Conductor in Residence“, den Zürcher Dirigenten Werner Bärtschi. Mit seinem wallenden weißen Bart könnte er glatt ein Double des Aktionskünstlers Hermann Nitsch sein, macht äußerlich beim Dirigieren auch einen eher eigenwilligen, grobschlächtigen Eindruck. Erst das Ergebnis seiner Interpretationen mit den Musiker:innen lassen aufhorchen und die vielen feinsinnigen und stilsicheren Fassetten seiner Arbeit erkennen.
Das kommt am Beginn dem bekannten Divertimento D-Dur von Mozart zugute, in dem sich solide, differenzierte Streicherkultur entfaltet. Ein frühes „Notturno“ von Arnold Schönberg vor seiner Zwölfton-Phase entpuppt sich als wohlig romantische Elegie für den solistischen Konzertmeister Zoltán Tuska. Die immer wieder gern gehörte Streicherserenade E-Dur von Antonin Dvořák bildet den böhmisch-elegischen, aber auch temperamentvoll tänzerischen Schlusspunkt. 

 

Fritz Jurmann, Kulturzeitschrift.at


Der Rittersaal im Palast Hohenems bot auch bei diesem letzten Abo-Konzert des Kammerorchesters Arpeggione den idealen Rahmen für den Auftritt der Top-Geigerin Elisso Gogibedaschwili, am Pult der Schweizer Dirigent Werner Bärtschi. (Fotos: Fritz Jurmann)